Emotionales Trauma in Deutschland

Was ich über unsere Gesellschaft und die Nachwirkungen einer anderen Zeit beobachtet habe

Ich glaube, dass (emotionales) Trauma in Deutschland ganz ganz tief verwurzelt liegt. Weil da so viel mitschwingt, was mit der Kriegszeit zu tun hat, und wie unsere Eltern aufgewachsen sind. Wie unsere Großeltern aufgewachsen sind. Und ich glaube, dass wir in Deutschland einfach viel aufzuarbeiten haben was das angeht… Das ist unter anderem ein Grund, warum mein Angebot „nur auf Deutsch“ ist – denn ich glaube, dass es da genug zu tun gibt, in einem absolut liebevollen Sinne.

Jedes Land hat seine Geschichte, jedes Land hat seine Prägungen, Einflüsse und die Dinge, die es zu bearbeiten hat, aber im Endeffekt kommt uns in Deutschland eine besondere Stellung entgegen, weil wir im Krieg Täter und Opfer waren (worüber aber niemand oder nur wenige sprechen). Unsere Täterschaft muss ich hier nicht erklären, aber es gibt eben auch den Anteil, in dem Deutschland, unsere Gesellschaft, die Menschen, die davon auch betroffen waren, vertrieben wurden. Kinder, die von ihren Eltern getrennt wurden, Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden, Kinder, die Waise wurden, Kinder, die andere Kinder tot im Graben haben liegen sehen. Oder Kinder, die Missbrauch in der Familie erfahren haben, die einfach auf sich allein gestellt waren, oder aufgenommen wurde in anderen Familien, wo sie nicht so herzlich integriert wurden wie vielleicht die eigenen Kinder in dieser Familie.

Nicht nur die Trauer die man im Außen sehen konnte, oder die man selbst über den Krieg empfunden hat, ist präsent. Niemand hat uns gezeigt, wie man mit den dazugehörigen Gefühlen umgeht: Scham, Schuld, Bedauern, Trauer, Angst. Ich bin sicher, dass das sehr viele von uns noch spüren, auch wenn wir selbst gar keinen persönlichen Anteil daran hatten, mitunter nicht mal unsere Familien. Uns muss bewusst sein, dass es so viele Konstrukte gibt, die da mit reinspielen, jeden sehr geprägt haben und uns bis heute beeinflussen.

Die Generation(en) nach dem Krieg

Wir dürfen nicht vergessen: die Generation unserer Großeltern ist eine Nachkriegsgeneration, sozusagen die Kriegskinder. Und für diese Nachkriegs- oder die Kriegskinder war das wichtigste die Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen auf dem Tisch und einfach nie wieder in dieser Unsicherheit zu leben. Nie wieder diesen Überlebensmodus aktiv verwenden zu müssen, wenngleich er die ganze Zeit noch „an“ war, weil Deutschland sich neu aufbauen musste. Wir kennen alle die Geschichten über die Nachkriegsfrauen, die Kriegsfrauen, die Trümmerfrauen. Es ist nicht allzu weit hergeholt, wenn dadurch und all die Umstände das Emotionale in den Hintergrund gerückt ist.

Daran hat erst mal niemand Schuld – darum geht es hier absolut nicht – sondern um ein Verständnis, und darum, ein Mitgefühl für sich selbst und die eigene Familiengeschichte, die eigenen Eltern zu entwickeln. Die eigene Geschichte der jeweiligen Generation zieht sich weiter, und da war nicht unbedingt viel Platz für Emotionen, Liebe, Nähe und Zuneigung. Wenn das bedeutet, dass unsere Großeltern in einer Umgebung groß geworden sind, die all diese Emotionen zwar hatte, und all den Schmerz, das Leid, die Trauer gesehen hat, dann wird immer deutlicher, was das für uns alle bedeuten kann.

Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern

Fakt ist: Wir dürfen uns immer wieder daran, dass man das, was man selbst nicht gelernt hat, auch nicht weitergeben kann. Das bedeutet aber auch, dass unsere Eltern dadurch, dass sie das zu Hause oft selbst nicht erfahren durften, vielleicht gar keine Idee haben, wie man eine emotional gesunde Basis für sich selbst erschafft. Mal ganz abgesehen davon, eine emotional gesunde Basis für eine Beziehung und ein Miteinander zu schaffen. Wenn das beide Partner bzw. Elternteile betrifft, und sich aus diesen Erlebnissen eine Dynamik ergibt, in der es schwer wird, emotional verfügbar zu sein für die eigenen Kinder, dann ist es auch schwer, ihnen einen gesunden, breit gefächerten Ausdruck, ein Ausleben, ein Fühlen von Emotionen beizubringen bzw. vorzuleben. Das wird natürlich noch schwieriger, wenn das eigene Nervensystem dauerhaft aktiviert ist, sei es aufgrund fehlender Prägung oder fehlenden Bindung, die sie selbst schon erfahren haben. Das kann dazu führen, dass Spuren auf körperlicher Ebene hinterlässt und sich das durch Generationen trägt.

Das passiert unterbewusst solange, bis es jemanden gibt, der sagt: „Das geht es nicht mehr.“ Ich sage gern, dass wir die Generation Heilung sind, weil wir die erste Generation sind, die unter normalen Umständen kein ungestilltes Grundbedürfnis hat. Uns fehlt es nicht an Sicherheit, einem Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch. Auch wenn unsere Eltern das weitergetragen haben, so sind wir jetzt freier davon und haben andere Möglichkeiten, vor allem andere Zugänge und Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, um sich überhaupt mit dem Thema auf eine gesunde Art und Weise zu beschäftigen. Etwas, das unsere Eltern so nicht automatisch hatten, und vielleicht war es in der Gesellschaft auch nicht unbedingt gern gesehen oder wurde akzeptiert. Somit macht man die Dinge mit sich selbst aus – etwas, wozu wir nicht mehr um jeden Preis bereit sind.

Unsere Generation möchte das nicht noch mal weitergeben, möchte nicht dass das nochmal jemand so spürt – und hat die Chance, Stopp zu sagen. Das Familiensystem ist so oder so sehr eng verstrickt, und Traumata „vererben“ sich. Wir sind an einem Punkt, in dem sich das ändern darf, UND wir haben die Möglichkeiten dazu. Es fällt uns leichter, unsere eigenen Muster zu sehen, genauso wie unsere Bindungsmuster.

Wie Du erkennst, was Du tun kannst

Das ist so individuell wie jede Person, weil so viele Dinge miteinander verschwimmen. Der nachhaltigste Einstieg ist hier über die Verbindung zum Nervensystem, sich dort besser kennenzulernen, zu beobachten, zu lernen was Dinge mit einem machen und wann & wie man auf bestimmte Dinge reagiert. Gleiches gilt für das Innere Kind, die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Grenzen – auch Dinge, die uns im Familiensystem nicht vorgelebt oder beigebracht werden, weil es bisher selbst niemand wusste.

Können Deine Eltern gut Grenzen setzen? Für ihre Bedürfnisse einstehen, sie gesund kommunizieren, und dafür sorgen, dass sie gestillt werden – von sich selbst oder anderen? Können sie ihre Emotionen gesund ausleben, in allen Facetten? Wenn die Antworten Nein lauten, dann ist es keine Überraschung, wenn es Dir genauso geht. Again, keine Schuldzuweisung! Einfach eine Erkenntnis, und der liebevolle Hinweis: mit Dir ist alles in Ordnung, Du bist nicht verkehrt. Du hast einfach Erfahrungen gemacht, die Dich auf gewisse Art und Weise geprägt haben, und Dein Handeln/Deine Reaktionen heute noch beeinflussen. Die gute Nachricht ist: es ist nicht in Stein gemeißelt! Du hast jederzeit die Möglichkeit, daran etwas zu verändern, und Deine Geschichte um- und Deine Zukunft neu zu schreiben.

Was wir in der Gesellschaft und in der Schule auch nicht lernen, ist, wie man das eigene System reguliert und Energie wieder freisetzt. Genauso wenig erklärt einem jemand, wie man sich selbst hält, wenn Emotionen einen zu überrollen scheinen – und deswegen ist das Teil meiner Arbeit.

Wenn sich Emotionen nicht ausdrücken, finden sie ihren Weg nach innen und manifestieren sich im Körper. Das kann unter anderem in Form von körperlichen Symptomen oder Krankheiten sein, denn die Energie verpufft nicht einfach, nur weil wir sie nicht haben oder fühlen wollen, sie muss ja irgendwo hin. Der Körper behält sie im System, weil die Energie zu Dir gehört, und Du so immer wieder darauf hingewiesen wirst, das nochmal anzuschauen. Dadurch, dass Du das dann tust, zeigt sich das Thema hinter der Emotion, oder die Momente, denn oft sind es mehrere. Du kannst sie an die Oberfläche holen, in gesunder Art und Weise verarbeiten und auflösen.

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